Menschenrechte im Allgemeinen und die Situation in Estland

Menschenrechte im Allgemeinen und die Situation in Estland

GESCHICHTE DER MENSCHENRECHTE

Bis zum Zweiten Weltkrieg war man der Ansicht, dass der Inhalt der Menschenrechte, besonders jedoch die Bestimmung ihres Umfanges, eine innere Angelegenheit des Staates sei. Durch die menschenverachtende Verfolgung rassischer, nationaler und politischer Gruppen im nationalsozialistischen Deutschland und in der kommunistischen Sowjetunion sah man sich gezwungen, diese Ansicht zu revidieren.

Am 10. Dezember 1948 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Die Sowjetunion und ihre Satellitenstaaten enthielten sich der Stimme, weil in diesen Staaten gegen so gut wie alle Menschenrechte verstoßen wurde.

PRESSEKONFERENZ DER ARBEITSGRUPPE FÜR MENSCHENRECHTE. E. ROOSEVELT UND C. MALIK.
(© UNITED NATIONS 1948)

DIE ALLGEMEINE ERKLÄRUNG DER MENSCHENRECHTE, DIE MIT DER RESOLUTION 217 A III VOM 10. DEZEMBER 1948 DER GENERALVERSAMMLUNG DER VEREINTEN NATIONEN VERABSCHIEDET WURDE.
(© UNITED NATIONS 1949)

MENSCHENRECHTE SIND ANGEBORENE RECHTE EINES JEDEN MENSCHEN, UNABHÄNGIG VON DER HERKUNFT, DES GESCHLECHTS, DES ALTERS, DER RASSE, DER NATION, DER SPRACHE, DES GLAUBENSBEKENNTNISSES, DER ÜBERZEUGUNGEN UND SONSTIGER UMSTÄNDE.

DIE MENSCHENRECHTE SIND ALLGEMEIN GÜLTIG, UNVERÄUßERLICH UND GEHÖREN ZUR MENSCHENWÜRDE UNABHÄNGIG DER SOUVERÄNITÄT DES STAATES UND DER GELTENDEN GESETZE.

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen verfügt über keine Zuständigkeit, verbindliche Rechtsakte zu verabschieden. Dadurch ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte nicht rechtlich verbindlich. Trotzdem, und obwohl die Menschenrechte in der Erklärung als Ziele beschrieben werden, werden sie für die Staaten als verpflichtend betrachtet.

1950 verabschiedete der Europarat die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Die Sowjetunion war dem Europarat gegenüber feindlich eingestellt, weil dieser sich zum Schutz der Menschenrechte einsetzte.

Die Republik Estland achtet die Menschenrechte genauso wie andere demokratische Staaten und hat rechtliche Mechanismen zur Gewährleistung der Menschenrechte geschaffen. Kapitel II der Verfassung der Republik Estland legt die Grundrechte, Freiheiten und Verpflichtungen der Menschen fest.

DER TAG DER MENSCHENRECHTE GILT AUCH FÜR SIE.
(© UNITED NATIONS 1950)

DER ERSTE STÄNDIGE VERTRETER ESTLANDS BEI DEN VEREINTEN NATIONEN WAR E. JAAKSON, DER LANGE ZEIT ALS ESTNISCHER GENERALKONSUL IN NEW YORK SOWIE ALS MISSIONSLEITER IN DEN USA FUNGIERTE UND SO DER TRÄGER DER KONTINUITÄT DER REPUBLIK ESTLAND WÄHREND DER SOWJETISCHEN BESATZUNG WAR.
(© UN PHOTO/MILTON GRANT)

DIE SOWJETMACHT UND DIE MENSCHENRECHTE

Die Sowjetbesatzung in Estland begann 1940 und dauerte, unterbrochen durch die deutsche Besatzung 1941–1944, bis September 1991. In dieser Periode wurden die Menschenrechte massiv missachtet. Unmittelbar nach der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wurde am 25. März 1949 in Estland eine Massendeportation durchgeführt und über 20.000 Personen – größtenteils Frauen, Kinder und ältere Menschen – nach Sibirien verschleppt. Gleichzeitig wurden Bürger aus anderen Gebieten der Sowjetunion in Estland angesiedelt, so dass von 1945 bis 1989 der Bevölkerungsanteil der Esten in Estland von 98 % auf 61 % sank.

In der Besatzungsperiode gehörte die Macht der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, die in der Estnischen Sowjetrepublik mit ihrer territorialen Unterorganisation, der Kommunistischen Partei Estlands, vertreten war. Für deren Regierungsweise war typisch:

  • Fernhalten des Volkes vom Regieren sowie kein Mitspracherecht;
  • Fehlen der Gewaltenteilung;
  • Aufzwingen der kommunistischen Weltanschauung;
  • Bevorzugung der russischen Sprache in offiziellen Angelegenheiten.

MEISTERGEHILFE DER ALTEN WEBFABRIK DES BAUMWOLLKOMBINATS „KREENHOLMI MANUFAKTUUR“, HELD DER SOZIALISTISCHEN ARBEIT L. KRONK BEI EINEM TREFFEN MIT DEN JUNGPIONIEREN DER STADT NARVA. APRIL 1973.
(ESTNISCHES NATIONALARCHIV)

(VON RECHTS) MASCHINISTIN DES BALTISCHEN WÄRMEKRAFTWERKS A. IWANOWA, AUSGEZEICHNET MIT DEM ORDEN DES ROTEN BANNERS DER ARBEIT UND DEM ORDEN „ZEICHEN DER EHRE“, A. KASJANENKO UND P. MANAJEW. DEZEMBER 1978.
(ESTNISCHES NATIONALARCHIV)

DEPORTATIONSWAGGON NR. 45 MIT MENSCHEN AUS VÕRU, VALGA, TARTU UND PÄRNU AM URALGEBIRGE. APRIL 1949.
(OKKUPATIONSMUSEUM TALLINN)

KUNDGEBUNG IN NARVA VOR DER WAHL DES OBERSTEN SOWJETS DER UDSSR. MÄRZ 1950.
(ESTNISCHES NATIONALARCHIV)

Die sowjetische Besatzung brachte eine Verstaatlichung der Unternehmen und des Privateigentums, Kollektivierung der Landwirtschaft, Militarisierung (in Estland befanden sich bis zu 150.000 Besatzungssoldaten), Grenzzonen und geschlossene Städte, die Normalbürger nicht betreten durften, mit sich. In Narva, Sillamäe, Paldiski und Kohtla-Järve wurde eine Änderung der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung durchgeführt. In wichtige Funktionen wurden überwiegend aus der Sowjetunion angesiedelte Immigranten eingestellt, weil von den Esten Widerstand befürchtet wurde.

Im Zweiten Weltkrieg sowie durch die menschenverachtenden Sowjetverbrechen büßte Estland ca. 25 % seiner Bevölkerung ein, was zu den höchsten Verlusten in Europa zählt. Durch die Politik der Kolonisierung seitens der sowjetischen Besatzungsmacht drohte den Esten die Gefahr, eine Minderheit in der eigenen Heimat zu werden.

ZUKÜNFTIGE SCHÜLER DER NEUEN SCHULE IM STADTTEIL LASNAMÄE IN TALLINN. AUGUST 1979.
(ESTNISCHES NATIONALARCHIV)

ARBEITER DES BAUMWOLLKOMBINATS „KREENHOLMI MANUFAKTUUR“ (VON LINKS): MEISTERGEHILFEN DER ALTEN WEBFABRIK V. TIMOFEJEW UND P. PYCHTEJEW SOWIE ARBEITER DES BAUTRUSTES VON NARVA V. GONTSCHAR AUF DER BAUSTELLE. NOVEMBER 1957.
(ESTNISCHES NATIONALARCHIV)

TOTALITARISMUS UND MISSACHTUNG DER MENSCHENRECHTE

Das Sowjetregime war Andersdenkenden gegenüber intolerant, weil diese als eine Gefahr für das Machtmonopol gesehen wurden.

Die Sowjetunion war ein klassischer totalitärer Staat. Die Macht befand sich in den Händen einer kleinen Elite, die aus der Leitung der Kommunistischen Partei – des Politbüros des Zentralkomitees der KPdSU – bestand. Die Macht wurde durch einen Repressionsapparat gesichert, der aus den Sicherheitsbehörden (GPU, NKWD, KGB), der Miliz und der Armee bestand. Das Machtsystem war geschlossen und wechselte nur durch Verschwörungen und Staatsstreiche.

Die Sowjetunion und andere kommunistische Staaten missachteten die Menschenrechte und versuchten, diese mit sozialen Garantien zu ersetzen. Diese konnten sie jedoch ebenfalls nicht gewährleisten.

ANSTELLEN FÜR KAFFEEBOHNEN AUF DER HOMMIKU STRAßE IN PÄRNU. FEBRUAR 1988.
(ESTNISCHES NATIONALARCHIV)

MENSCHENSCHLANGE VOR DEM FLEISCHGESCHÄFT IN DER VÄIKE-KARJA STRAßE IN TALLINN. 28. DEZEMBER 1990.
(ESTNISCHES NATIONALARCHIV)

Menschen, die verlangten, dass die Menschenrechte geachtet werden, wurden für Jahre in Gefängnisse gesperrt. Die Sowjetunion hat sich aufgelöst und die kommunistische Diktatur in den früheren Sowjetrepubliken hat ihr Ende gefunden. Doch gibt es in der Welt noch Staaten, in denen ein Totalitarismus sowjetischer Art weitergeführt wird und Menschenrechte missachtet werden, wie z.B. in Nordkorea, Kuba und China.

Massive Verstöße gegen die Menschenrechte gibt es aber auch in Staaten, die sich nicht als kommunistisch bezeichnen – z.B. in Birma, Syrien sowie in einigen Staaten Afrikas.

DIE ZEITUNG DES STADTKOMITEES TALLINN DER KOMMUNISTISCHEN PARTEI ESTLANDS UND DES SOWJETS DER STADT TALLINN. 4. MÄRZ 1981.
(EIHR)

KLEIDUNGSSTÜCKE EINES SONDERREGIMEHÄFTLINGS, HÄFTLINGSHEMD VIOLETT-GRAU-GESTREIFT, ANGEFERTIGT IN DER HAFTANSTALT. OMSK 1981.
(OKKUPATIONSMUSEUM TALLINN)

AUCH ALLGEMEINMENSCHLICHE WÜNSCHE WURDEN ZU DIENSTEN DER SOWJETPROPAGANDA AUSGELEGT, GLEICHZEITIG WURDEN DIE IDEOLOGISCHEN GEGNER ALS MENSCHENHASSER UND FRIEDENSGEGNER DARGESTELLT. AUTOR L. SAMOILOW, 1953.
(DIGITALARHIV DER ESTNISCHEN NATIONALBIBLIOTHEK DIGAR)