DIE SOWJETZEIT
- UMFANGREICHE EINWANDERUNG
Der Saldo der externen Migration Estlands war positiv um etwa 400 000 Menschen, darunter sind etwa 50 000 Russland-Esten aus Russland nach Estland zurückgekehrt.
IN DEN JAHREN 1945–1991 IST DIE EINWOHNERZAHL VON ESTLAND VON
835 000 AUF 1 565 000 GESTIEGEN
die Hauptursache war die umfangreiche Einwanderung aus den anderen Sowjetrepubliken, hauptsächlich aus Russland.
Das Wachstum der Einwohnerzahl von Estland war das größte UNMITTELBAR NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG in den Jahren 1946–1955 (Abbildung 18).
ABBILDUNG 18
Externe Migrationsströme von Estland, 1946–1990.
BETRIEBE ALS MIGRATIONSPUMPE
AB DEN 1960er Jahren hat sich der Saldo der externen Migration von Estland stabilisiert: viele sind in Estland eingereist,
30 000–40 000,
aber viele sind auch abgereist,
20 000–30 000
Personen pro Jahr.
Der Migrationsumsatz war groß und von sieben in der Sowjetzeit in Estland eingereisten Personen IST NUR EINE HIER STÄNDIG WOHNEN GEBLIEBEN.
Zum Ende der 1950er Jahre ist die BEDEUTUNG DER WIRTSCHAFTLICHEN FAKTOREN gestiegen.
GROSSE INDUSTRIEBETRIEBE MUSSTEN FÜNFJAHRESPLÄNE ERFÜLLEN
und haben wegen der ständigen Personalfluktuation als die wichtigste Migrationspumpe funktioniert.
EIN BEDEUTENDER MIGRATIONSMECHANISMUS war auch die Delegierung von jungen Menschen nach Estland nach Studienabschluss, damit sie hier arbeiten.
DIE IN ESTLAND ERRICHTETEN RIESIGEN, oft direkt Moskau untergeordneten sog. Industriebetriebe von Allunionswichtigkeit, die zusätzliche Arbeitskräfte brauchten.
MIGRATION NACH DEM „SOWJETISCHEN WESTEN“
ZUR ZEIT DER ESTNISCHEN REPUBLIK betrug die Anzahl der MENSCHEN aus anderen Nationen insgesamt 133 893.
Jedoch BEGANNEN DIE MIGRATIONSSTRÖME während der sowjetischen Okkupation und insbesondere in den 1970er Jahren ZUZUNEHMEN.
ESTLAND UND DIE ANDEREN BALTISCHEN SOWJETREPUBLIKEN waren der „Sowjetische Westen“ und deshalb auch für die freiwilligen Einwanderer attraktiv.
Zum Ende der Sowjetzeit ist die Anzahl der Menschen aus anderen Nationen in Estland bis auf 602 000 gewachsen, WAS 38 % der bevölkerungszahl Estlands betragen hat.
DIE GRÖSSTEN WAREN DIE RUSSISCHEN, UKRAINISCHEN UND WEISSRUSSISCHEN Volksgruppen (Abbildung 19), die durch die russische Sprache verbunden waren. In Sowjetestland bildeten sich die bis heute ein paralleles Leben führenden estnisch- und russischsprachigen Gemeinschaften.
ABBILDUNG 19
Veränderung des Anteils der in Estland lebenden Volksgruppen, 1934–1989.
Quelle: Kulu ja Tammaru 2003
MIGRATION UND DIE VERÄNDERUNG DER ESTNISCHEN STÄDT:
In der Sowjetunion hat die staatliche PLANWIRTSCHAFT funktioniert, in deren Mittelpunkt die bevorzugte Förderung der Industrie stand.
Ab dem Jahr 1960 hat die ANZAHL DER INDUSTRIEARBEITER die Anzahl der Landwirtschaftsarbeiter überschritten (Abbildung 20).
In den Jahren 1946–1960 ist die Industrie DURCHSCHNITTLICH 36 % PRO JAHR gewachsen, was schneller war als anderswo in der Sowjetunion. Die Industrie wurde HAUPTSÄCHLICH IN DEN STÄDTEN entwickelt und Industriearbeiter wurden meistens in Russland angeworben.
Infolgedessen ist DER ANTEIL DER ESTEN AN DER STADTBEVÖLKERUNG RASCH GESUNKEN:
IM JAHR 1934 haben die Esten 85 % der Stadtbevölkerung, zum Ende der Sowjetzeit aber 51 % gebildet (Abbildung 21).
ABBILDUNG 21
Veränderung des Anteils der Esten in den größeren Städten (%), 1934–1989.
Quelle: Tammaru 2001
DAS MUSTER, dass die Einreisenden meistens in den größeren Städten ansässig werden, ist für die Mehrheit der Einwanderungsstaaten charakteristisch.
Die einwanderer unterstützen die wirtschaftliche entwicklung, verändern jedoch wesentlich die kulturelle und sprachliche umgebung der städte.
RUSSISCHSPRACHIGE INDUSTRIESTÄDTE
NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG wurde in Ida-Virumaa die umfangreiche Erweiterung der Ölschieferindustrie zur Priorität, es wurden alte Bergwerke wiedererrichtet und neue in Betrieb genommen.
ABBILDUNG 20
Veränderung der Beschäftigung in der Landwirtschaft und Industrie, 1945–1989.
Quelle: Tammaru 2001
So sind im Vergleich zur Vorkriegszeit darüber hinaus am meisten auch Maschinen- und die METALLINDUSTRIE/
LEICHTINDUSTRIE gewachsen.
In Estland wurde eine direkt der Sowjetunion untergeordnete MILITÄRINDUSTRIE errichtet, wo Esten nicht angestellt wurden, so wie auch in mehreren anderen strategischen Industriezweigen.
DIE EINWANDERER HABEN SIND NACHFRAGE FÜR DIE ENTWICKLUNG VON INDUSTRIEN UND FUR DAS sowjetische Militär wichtige Küstengebiet konzentriert, das sich von Tallinn bis Narva erstreckte. MILITÄRANLAGEN hat es auch im westlichen Küstengebiet genügend gegeben (Flughäfen und Garnisonen in der Nähe von Haapsalu und in Pärnu). Die gedeihliche Entwicklung der Militär-Industriezone an der Nordküste hat mit Unterstützung der Einwanderung bis zum Ende der Sowjetzeit fortgedauert (Abbildung 21).
An der Küste hat sich auch die GRENZZONE befunden, wo sich das Militärpersonal konzentriert, hat, ebenfalls wurden in Tallinn und Muuga große Häfen gebaut.
In Narva und Sillamäe, wo vor dem Krieg meistens Esten gelebt haben, ist der Anteil der Esten unter 5 %, in Tallinn unter 50 % gesunken.
ABBILDUNG 21
Veränderung des Anteils der Esten in den größeren Städten (%), 1934–1989.
Quelle: Tammaru 2001
ENTSTEHUNG DER SCHLAFSTADTTEILE
Für die Einreisenden hat die Migration RELATIV GUTE LEBENSBEDINGUNGEN gesichert.
Die von anderswo Einreisenden haben in den neuen Plattenbauten eine Wohnung mit allemKomfort im Vergleich zu den örtlichen Esten vorrangig bekommen.
In den Städten, wo große Militärbetriebe oder Militäranlagen gebaut wurden, sind bald auch große SOGENANNTE SCHLAFSTADTTEILE dazugekommen.
Unter Einfluss der Einwanderung haben sich im städtischen Raum die SPRACHENGEMEINSCHAFTEN
bemerkenswert voneinander abgetrennt.
Auch die Bildungsvermittlung wurde sprachenbasiert, es entstanden separate Kindergärten und Schulen mit russischer und estnischer Unterrichtssprache.
Für die Einwanderer war es nicht notwendig, Estnisch zu lernen.
So wurde der Grundstein für die sprachenbasierte Segregation und Entstehung der Parallelgesellschaften gelegt.
Torfindustrie Tootsi. Samussenko, V. (Estnisches Nationalarchiv)